Kennzahlensysteme zur Krisenfrüherkennung auch im Hinblick auf StaRUG

Dieser Artikel erläutert mit dem Thema „Kennzahlen zur Krisenfrüherkennung im Hinblick auf StaRUG[1]“ Kennzahlen für die verschiedenen Unternehmensbereiche., Hiermit sollen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Entwicklung eines eigenen Kennzahlensystems unterstützt werden. Ziel ist eine frühzeitige Krisenerkennung und die Einleitung entsprechender Maßnahmen.

Besonders in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten müssen Unternehmen darauf achten liquide zu bleiben, um weitreichende Krisen zu vermeiden. Gerade angesichts der letzten zwei Jahre und der derzeitigen Herausforderungen bleibt dies ein sehr aktuelles Thema für KMU. Nach 18.749 gemeldeten Fällen[2] von Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2019 fiel die Anzahl im Jahr 2020 auf 15.841 Unternehmensinsolvenzen[3] Diese Entwicklung ist maßgeblich dem bis Ende April 2021 gültigen COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) und den gewährten Überbrückungshilfen zuzuschreiben, jedoch liegt nahe, dass bei deren Auslaufen die Insolvenzen wieder stark ansteigen. Zur Erinnerung: In den Jahren 2003/2004 verzeichneten wir rund 40.000 Unternehmensinsolvenzen.[4] Besonders KMU sind derzeit auf staatliche Unterstützung angewiesen. Ein Ende der Hilfen könnte zu großen wirtschaftlichen Problemen führen, wenn die Geschäftstätigkeit nicht wie vor dem Konjunktureinbruch weitergeführt werden kann.

Während große Unternehmen oftmals über Kennzahlensysteme und Stabsabteilungen zur Erhebung und Überwachung der Daten verfügen, wenden KMU deutlich weniger Ressourcen auf, um Kennzahlen zu erheben, zu analysieren und regelmäßig zu prüfen. Seit dem 01. Januar 2021 besteht jedoch eine generelle Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement gemäß § 1 StaRUG. Da die Kapazitäten für KMU beschränkt sind, müssen Kennzahlensysteme implementiert werden, die ohne größeren Aufwand maßgebliche Erkenntnisse liefern und rechtzeitig vor bestandsgefährdenden Entwicklungen warnen. Das Kennzahlensystem muss darauf ausgerichtet sein, erste Anzeichen einer Unternehmenskrise frühzeitig zu erkennen, damit die Geschäftsleitung rechtzeitig geeignete Maßnahmen zur Krisenprävention ergreift und dadurch Illiquidität oder Insolvenz verhindert.

Für die Einführung eines Kennzahlensystems muss das Unternehmen proaktiv Daten erheben, analysieren und interpretieren. Das Kennzahlensystem ist an die Gegebenheit des jeweiligen Unternehmens anzupassen.

Folglich sollte das Kennzahlensystem nicht nur finanzielle Kennzahlen beinhalten, da diese retrospektiv und nur bedingt geeignet sind, zukünftige Krisen zu erkennen. Um einen vorausschauenden Blick zu erhalten, kommen Frühindikatoren zum Einsatz, die um Spätindikatoren ergänzt werden. Das Kennzahlensystem ist in sechs Unternehmensbereiche gegliedert:

  • Marketing und Vertrieb,
  • Materialwirtschaft,
  • Personal,
  • Forschung und Entwicklung,
  • Produktion und Leistungserbringung
  • Finanzen

Bei der Implementierung sind Zielwerte und entsprechende Toleranzbereiche festzulegen. Ein regelmäßiger Soll/Ist-Vergleich auf Monats-, Quartals,- oder Jahresbasis führt bei Überschreitung der Toleranzbereiche zur Ursachenanalyse und Festlegung erster Maßnahmen. Ebenfalls werden Abweichungen durch den Vergleich mit Vergangenheitswerten aufgezeigt.

Unternehmen müssen ihr Marktumfeld gut kennen, deshalb ist eine Branchenstrukturanalyse ab einer bestimmten Unternehmensgröße sinnvoll. Durch die detaillierten Kenntnisse des Umfelds lassen sich drohende Gefahren für das Unternehmen besser einschätzen. Die Branchenstrukturanalyse ist ebenfalls als Porters Five Forces bekannt. Die untersuchten Faktoren sind: brancheninterner Wettbewerb, Bedrohung durch neue Anbieter, Bedrohung durch Ersatzprodukte und Verhandlungsstärke von Lieferanten sowie Verhandlungsstärke von Kunden. Im Optimalfall gibt es wenige Wettbewerber und keine Ersatzprodukte, hohe Eintrittsbarrieren, viele Lieferanten und Kunden mit hohen Umstellungskosten. Durch Branchenvergleiche werden Entwicklungen identifiziert, die auf Krisen hindeuten. Wenn sich das eigene Unternehmen im Vergleich zur Branche unterdurchschnittlich entwickelt, kann dies ein Indiz für eine geringe Wettbewerbsfähigkeit bzw. hohe Wettbewerbsintensität sein.

 

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[1]Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), welches seit dem 01. Januar 2021 wirksam ist, regelt das Restrukturierungsrecht und knüpft an das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz an. Das StaRUG ermöglicht Unternehmen die Durchsetzung von Sanierungsmaßnahmen außerhalb des Insolvenzverfahrens auch gegen den Willen einzelner Gläubiger. Des Weiteren werden Unternehmen dazu angehalten, Systeme zur Krisenfrüherkennung zu entwickeln und somit den Handlungsspielraum für Sanierungsmaßnahmen zu erhöhen, da ein Verfahren nach dem StaRUG nur genutzt werden kann, wenn das Unternehmen voraussichtlich innerhalb von zwei Jahren zahlungsunfähig werden wird. Somit können Unternehmen, die die Krise zu spät erkannt haben und voraussichtlich innerhalb eines Jahres zahlungsunfähig sein werden, nicht von den Möglichkeiten des StaRUG profitieren.

[2] Vgl. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/03/PD20_094_52411.html

[3] Vgl. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_161_52411.html

[4] Vgl. https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Gewerbemeldungen-Insolvenzen/Tabellen/lrins01.html