Haftungsfallen in der Insolvenz und wie Sie diese vermeiden können

Durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz ist die Insolvenzantragspflicht aktuell bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt. Ab dem 01. Januar 2021 ist für die Geschäftsführer somit wieder besondere Vorsicht geboten.

Denn in einer wirtschaftlichen Krise unterliegen die Geschäftsführer einem erheblichen Haftungsrisiko. Gemäß § 64 GmbHG haften sie mit ihrem privaten Vermögen für jede Zahlung, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife tätigen.

Dadurch soll der Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor ungerechtfertigten Kürzungen der späteren Insolvenzmasse sichergestellt werden.

Mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO oder der Überschuldung einer Gesellschaft im Sinne des § 19 InsO sollten die Geschäftsführer somit unter anderem bei den nachfolgenden Fallkonstellationen auf der Hut sein.

Insolvenzverschleppung

Ausgangspunkt für die Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz ist die Verpflichtung des Geschäftsführers, bei Eintritt der Insolvenzreife unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen.

Verletzt der Geschäftsführer seine Antragspflicht, haftet er für jede Zahlung der Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife persönlich. Dies gilt nicht für Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.

Zusätzlich ist die vorsätzliche oder fahrlässige Insolvenzverschleppung strafbar und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden.

Um diese Haftungsrisiken zu vermeiden, muss der Geschäftsführer die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend prüfen. Nur so wird eine Krise rechtzeitig erkannt und geeignete Gegenmaßnahmen können eingeleitet werden. Sollte dies nicht mehr möglich sein, muss die Insolvenz beantragt werden. Nach der Kenntnisnahme hat die Geschäftsleitung maximal 21 Tage Zeit den Insolvenzantrag zu stellen. Kommt sie dem nicht nach liegt eine Insolvenzverschleppung vor.

Kundenzahlungen auf debitorische Konten

Zahlungen auf ein debitorisches Konto, die nach Eintritt der Insolvenz des Unternehmens zugelassen werden, sind bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Zahlung der insolvenzreifen Gesellschaft an die Bank. Dadurch werden lediglich die Verbindlichkeiten bei der Bank zurückgeführt, für die Gläubiger ist das Geld dagegen verloren.

Grundsätzlich müssen die Geschäftsführer solche Zahlungseingänge auf debitorischen Konten des Unternehmens bei Insolvenzreife ersetzen.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg vom 09.11.2018 wird das Haftungsrisiko in der Praxis in Zukunft allerdings reduziert. Das OLG Hamburg zieht in seiner Entscheidung erstmals eine wirtschaftlich hypothetische Betrachtungsweise heran. Es wird also berücksichtigt, was passiert wäre, wenn der Geschäftsführer sich so verhalten hätte, wie es die Rechtsprechung von ihm verlangt.

Hätte der Geschäftsführer den Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt oder wäre für die Gläubiger die Insolvenzreife durch Eröffnung eines neuen Kontos erkennbar gewesen, wären die Zahlungen erst gar nicht geflossen und somit auch nicht den Gläubigern zugutegekommen.

Laut Entscheidung des OLG Hamburg sind die Geschäftsführer daher in diesem Fall nicht zum Ersatz der Zahlungen verpflichtet.

Diese Rechtsprechung kann in Zukunft wohl auf Fälle übertragen werden, bei denen Zahlungen auch dann nicht zur Haftungsmasse gelangt wären, wenn der Geschäftsführer sich pflichtgemäß verhalten hätte.

Anmeldungen von Insolvenzforderungen

Wenn das Gericht ein Insolvenzverfahren eröffnet, sind die Gläubiger dazu aufgefordert, ihre ausstehenden Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden.

Nach § 178 Abs. 1 InsO kann neben dem Insolvenzverwalter auch die Schuldnerin, d.h. im Falle einer juristischen Person das vertretungsberechtigte Organ, also die Geschäftsführer, den einzelnen Forderungsanmeldungen widersprechen, wenn diese im Zeitpunkt der Anmeldung unbegründet sind.

Der Widerspruch des Schuldners steht gem. §178 Abs. 1 S. 2 InsO der Forderungsanmeldung zwar nicht entgegen, das Insolvenzgericht vermerkt den Widerspruch allerdings in der Insolvenztabelle. Dadurch ist gewährleistet, dass ein Gläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht aus der Eintragung in die Tabelle zwangsvollstrecken kann.

Zur Prüfung übersendet der Insolvenzverwalter den Geschäftsführern die vorläufige Insolvenztabelle, oft mit einer Frist von wenigen Tagen. Aufgrund des Zeitdrucks werden die Forderungsanmeldungen in der Praxis von den Geschäftsführern oftmals nicht sorgfältig oder überhaupt nicht geprüft. Somit unterbleiben in der Regel Widersprüche der Geschäftsführer. Die aktuelle Rechtsprechung zieht daraus den Schluss, dass die angemeldeten Forderungen der Gläubiger begründet sind.

Sind die Forderungen erst einmal zur Insolvenztabelle festgestellt, kann sich der persönlich haftende Geschäftsführer in einem späteren Haftungsprozess nicht darauf berufen, dass die Forderungen unbegründet waren.

Die Geschäftsführer sollten folglich am Verfahren zur Feststellung von Insolvenzforderungen teilnehmen und Forderungsanmeldungen bestreiten, um sich Verteidigungsmöglichkeiten in einem späteren Haftungsprozess offen zu halten.

Ressortaufteilung unter Geschäftsführern

Bei größeren mittelständischen Unternehmen, die mehrere Geschäftsführer haben, ist es üblich, dass die Managementaufgaben zwischen den Geschäftsführern nach einem Ressortprinzip aufgeteilt werden.

Mit Urteil vom 06.11.2018 hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass eine solche Aufgabenteilung die anderen Geschäftsführer bei einer Pflichtverletzung entlasten kann, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

    • Es muss eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben vorliegen.
    • Die Regelung muss die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellen.
    • Die Zuständigkeit des Gesamtorganes muss für wesentliche Angelegenheiten erhalten bleiben.
    • Eine Ressortaufteilung bedarf nicht zwingend einer ausdrücklichen Absprache oder der Schriftform. Allerdings ist eine schriftliche Dokumentation zu Beweiszwecken dringend zu empfehlen. Denn nur so kann eine klare und eindeutige Aufgabenverteilung nachgewiesen werden.

Trotz Ressortaufteilung bleibt die Pflicht zur laufenden Unterrichtung der weiteren Geschäftsführer über die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft unberührt. Die Geschäftsführer dürfen zwar darauf vertrauen, dass ihre Mitgeschäftsführer ihren Aufgaben ordnungsgemäß nachkommen, sie trifft allerdings gleichzeitig die Pflicht zur Aufsicht, Kontrolle und Überwachung derselben.

Vor allem in der Krise muss sich jeder Geschäftsführer einen Überblick über die finanzielle Situation der Gesellschaft verschaffen, um im Notfall die notwendigen Schritte einzuleiten.

Die Insolvenzantragspflicht obliegt somit allen Geschäftsführern gemeinsam, unabhängig von einer bestehenden Ressortverteilung.

Wir erarbeiten mit Ihnen eine Lösung

Bevor ab dem 01. Januar 2021 wieder ein Insolvenzantrag zu stellen ist, sollten Sie sich bereits im Dezember 2020 einen Überblick über die aktuelle wirtschaftliche Situation Ihres Unternehmens verschaffen. Hierbei unterstützen wir Sie gerne, bewerten in einem Quick Check die wichtigsten Bereiche Ihres Unternehmens und bilden den wirtschaftlichen Verlauf mit Hilfe einer integrierten, operativen Planung ab. Falls erforderlich, erstellen wir mit Ihnen anschließend eine BGH-konforme Fortführungsprognose oder ein Sanierungskonzept nach IDW S6.

Genauere Informationen zu unserem Quick Check finden Sie hier.

Bei Eintritt der Insolvenzreife sollten Sie noch einen Schritt weiter gehen und sich rechtlichen Rat einholen. Denn die Haftung in der Krise ist komplex und entwickelt sich stetig fort. Gerne unterstützen wir Sie auch hier und stellen Ihnen einen Kontakt zu einem Rechtsanwalt her.

Kontaktieren Sie uns bei Fragen gerne über unser Kontaktformular oder melden Sie sich direkt telefonisch bei uns unter 0611 – 99 94 00.