Distressed M&A-Prozesse bieten eine werterhaltende Lösung

Am 31. Dezember 2020 läuft die Frist für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aus. Für einige in der Krise befindliche Unternehmen bedeutet dies, dass sie Insolvenz gefährdet sind. Eine Chance, um eine Insolvenz zu verhindern und damit das Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern, liegt im Hinzuziehen eines starken Partners oder im Verkauf aller Geschäftsteile.

Diesen M&A-Prozess wird als Distressed Mergers & Acquisition bezeichnet. Er beschreibt die Übernahme bzw. die Transaktion eines Unternehmens, welches sich in einer wirtschaftlichen oder finanziellen Krise befindet.  Der Prozess ist ähnlich aufgebaut wie ein klassischer M&A Prozess, jedoch steht die zeitliche Dimension dabei im Vordergrund.

Der zeitliche Horizont dieses Prozesses erstreckt sich maximal auf drei Monate. Der besondere Zeitdruck entsteht durch die gesetzlich festgelegten Fristen der Insolvenzordnung (InsO) und durch die fehlende Möglichkeit einer Weiterführung des Unternehmens in den bisher bekannten Strukturen.

Interessengruppen

Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus dem erweiterten Kreis der Interessengruppen. Neben den üblichen Stakeholdern treten in einem Distressed M&A-Prozess weitere Beteiligte wie bspw. (vorläufiger) Insolvenzverwalter, Insolvenzgläubiger und Sicherungsgläubiger auf. Ob sie ein gesetzliches Mitspracherecht haben, hängt von dem Transaktionszeitpunkt ab. Die Einbeziehung dieser Parteien ist ein erfolgsentscheidender Faktor. Denn unberücksichtigte Interessenlagen führen zu einer Verhinderung des Transaktionsprozesses.

Unternehmensbewertung

Die Bewertung eines Krisenunternehmens stellt einen großen Unterschied zu der Bewertung eines „gesunden“ Unternehmens dar. Da nicht wie gewohnt auf aussagekräftige Zahlen der vergangenen Geschäftsjahre zugegriffen werden kann, liegt der Fokus auf der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodelles. Durch die negativen Erfolgs- und Liquiditätskennzahlen und die schlechte Datenqualität stellt sich der Prozess der Bewertung oftmals als sehr aufwändig heraus.

Jeder Transaktionszeitpunkt ist mit unterschiedlichen Chancen und Risiken verbunden.

Vorinsolvenzlicher Sanierungsprozess

Eine Unternehmenstransaktion in einem vorinsolvenzlichen Sanierungsprozess bietet dem Gesellschafter die Möglichkeit über eine uneingeschränkte Entscheidungsbefugnis zu verfügen.

Die Chancen, die sich für die Käuferseite zu diesem Transaktionszeitpunkt ergeben, sind:

    • geringe Reputationsverluste,
    • erhalt von Kunden- und Lieferantenbeziehungen,
    • erhalt von Mitarbeiter sowie
    • verbesserte Sanierungschancen durch vielfältige Handlungsoptionen.

Da zu diesem Zeitpunkt ein Krisenunternehmen mehrere Möglichkeiten hat, um fortgeführt zu werden, erweist sich die Transaktion in diesem Stadium als sinnvoll. Dennoch muss beachtet werden, dass bei einer Transaktion, alle Haftungsrisiken vom Käufer übernommen werden. Die Risiken gehen in jedem Fall beim Share Deal auf den Käufer über, aber auch bei einem Asset Deal besteht das Risiko für den Erwerber. Wenn im Anschluss eines Asset Deals ein Insolvenzverfahren beantragt wird, kann der Kaufvertrag vom Insolvenzverwalter möglicherweise angefochten werden.

Nach Insolvenzeröffnung

Bei einer Veräußerung eines Krisenunternehmens in der Insolvenz wird angestrebt, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Kauf rechtlich vollzogen werden soll und die Auswahl des Käufers durch ein vorläufiges Verfahren schon getroffen wurde. Dies führt bei der Verkäuferseite zu einer höheren Planungssicherheit hinsichtlich der Betriebsfortführung.

Insolvenzverwalter

In diesem Transaktionszeitpunkt sind die beteiligten Parteien bei der Veräußerung die potenziellen Erwerber und die Insolvenzverwalter. Der Vertragsabschluss muss von einem Insolvenzverwalter vollzogen werden. Das bedeutet, dass die ehemaligen Gesellschafter keine Mitbestimmungsrechte besitzen und somit auch die Wahl des neuen Erwerbers nicht mitentscheiden.

In diesem Fall gibt es ebenfalls mehrere Gestaltungsmöglichkeiten. Die InsO sieht einerseits eine übertragende Sanierung oder andererseits ein Insolvenzplanverfahren vor. Durch eine übertragende Sanierung ist der Erwerber nicht für Betriebssteuern haftbar, die im Zeitraum zwischen der Übertragung und dem Anfang des davor liegenden Jahres angefallen sind. Wenn der Erwerber großes Interesse an der Rechtspersönlichkeit bzw. an den bestehenden Verträgen des insolventen Unternehmens hat, eignet sich in diesem Fall besonders ein Insolvenzplanverfahren.

Motivation

Die Attraktivität des Distressed M&A-Prozesse ist der „niedrige“ Kaufpreis. Die potenziellen Erwerber verfügen über mehr Argumentationsmöglichkeiten, da die Krisenunternehmen wenig Alternativen haben. Die Risiken spiegeln sich gegenteilig in den Chancen des vorinsolvenzlichem Sanierungsprozesses wider und die Chancen ergeben sich aus:

    • der Kaufvertrag ist nicht anfechtbar,
    • es besteht keine Haftung für Altverbindlichkeiten,
    • es besteht keine Haftung für Steuerverbindlichkeiten,
    • es besteht keine Haftung für ungerechtfertigte Beihilfen,
    • eine geringere Kaufpreishöhe kann erwartet werden.

Es bietet den Krisenunternehmen eine werterhaltende Lösung.

Gerne unterstützen wir Sie im Hinblick auf einen Distressed M&A-Prozess und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.