Kennzahlen im Unternehmensbereich Marketing und Vertrieb

Die Unternehmensbereiche Marketing und Vertrieb haben die Funktion, die Schnittstelle zum Kunden zu besetzen, das Produkt- und Leistungsportfolio zu vermarkten, die Kundenbedürfnisse zu identifizieren und zu befriedigen sowie die Bekanntheit des Unternehmens zu steigern.

Kennzahlen für das Marketing und den Vertrieb erfüllen den Zweck, Entwicklungen zu erkennen, deren Ursachen in der Vermarktung oder dem Service liegen. Aus den gewonnenen Informationen können anschließend Maßnahmen umgesetzt und deren Wirkung anhand der Entwicklung dieser Kennzahlen überprüft werden.

 

Die Frühindikatoren im Bereich Marketing und Vertrieb:

  • Reaktionszeiten bei Anfragen (in Stunden): Die Reaktionszeit bei Anfragen beschreibt die Dauer, die zwischen dem Eingang der Anfrage und der Antwort auf diese vergeht. Aufgrund der steigenden Kundenanforderungen ist Schnelligkeit in der Beantwortung von Anfragen ein wichtiges Differenzierungsmerkmal zum Wettbewerb. Antwortzeiten, die über 24 Stunden hinaus gehen, sind für Kunden oder Interessenten nicht mehr akzeptabel und führen zu einem Reputationsverlust. Unter Umständen führt dies zu verlorenem Umsatz, wenn die Kundenanfrage zwischenzeitlich bereits ein Wettbewerber beantwortet hat.
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  • Anzahl der Klicks auf die Homepage, Interaktionen auf Social Media pro Monat:
    Die Anzahl der Klicks auf die Homepage sowie die Interaktionen auf Social Media pro Monat geben Informationen darüber, ob das Unternehmen interessant ist und mit seinen Beiträgen einen Mehrwert für die Kunden bietet. Durch die Implementierung entsprechender Tracking-Systeme bietet das Internet viele Möglichkeiten zur Informationsgewinnung. Der Web-Auftritt von Unternehmen erfährt zunehmende Relevanz und repräsentiert das Unternehmen maßgeblich, weshalb es einen wichtigen Baustein darstellt. Eine sinkende Anzahl von Interaktionen mit Online-Präsenzen im Zeitverlauf ist nicht außer Acht zulassen, da dies ein sinkendes Kundeninteresse am Unternehmen ausdrückt. Für potenzielle Bewerber ist die Web-Präsenz die erste Anlaufstelle, sodass ein mangelnder Web-Auftritt zu weniger Bewerbungen und folglich einem Fachkräftemangel im Unternehmen führt. Besonders bei Online-Shops ermöglicht der Vergleich der Kennzahl im Zeitablauf eine Entwicklungsprognose, da der Umsatz eng mit der Anzahl der Homepagebesuche verbunden ist.
  • Rezensionen auf Bewertungsportalen: Rezensionen sind ein Frühindikator für die Entwicklung der zukünftigen Auftragseingänge. Sie bieten einerseits Anregungen zur Verbesserung, andererseits sind sie ein zunehmend wichtiges Entscheidungskriterium für Interessenten und Kunden. Insbesondere die Reaktion auf Kritik seitens des Unternehmens und der Umgang mit dem Kunden nimmt an Bedeutung zu. Beispielsweise können Gründe für eine schlechte Rezension erfragt und Maßnahmen eingeleitet werden. Negative Rezensionen sind zu beantworten, da die Reaktion des Unternehmens somit öffentlich sichtbar wird. Kundenrezensionen gewinnen zunehmend an Relevanz, sodass im Jahr 2020 rund 87 Prozent der Konsumenten angaben, dass sie diese lesen, während es im Jahr 2010 noch 67 Prozent waren.[1]
  • Response-Rate (Rücklaufquote) (Erhaltene Reaktionen auf Werbemaßnahme / ausgesendete Exemplare einer Werbemaßnahme (in %)): Die Response-Rate findet z.B. bei E-Mail, Telefonaten, Direct Mailing oder Befragungen Anwendung und gibt an, wie viele Adressaten direkt auf eine Werbemaßnahme reagieren. Diese Kennzahl ist aufgrund ihrer unmittelbaren Interaktion leicht zu ermitteln. Durch diese Kennzahl lassen sich die Marketingmaßnahmen und -ausgaben besser kalkulieren und der Ertrag je Kunde feststellen. Für die Erfassung der Öffnungsrate von E-Mails müssen entsprechende Tracking-Systeme genutzt werden. Generell sind Rücklaufquoten zwischen 0,5 Prozent und drei Prozent zu erwarten, wobei die Höhe der Quoten durch viele Faktoren, wie beispielsweise die Branche, das Alter der Kunden und die Distributionsmethode, beeinflusst wird.[2]
  • Kundenzufriedenheit (regelmäßige Messung durch Befragungen): Die Kundenzufriedenheit ist eine Kennzahl, die die Zufriedenheit der Kunden mit den Produkten/Leistungen und dem Service des Unternehmens widerspiegelt. Diese qualitative Kennzahl lässt sich durch Bewertungen auf Skalen (bspw. 1 bis 10) quantifizieren, sodass die Maßnahmen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit effizienter ausgewertet werden können. Allerdings ist auch die Nutzung einzelner Textfelder sinnvoll, um den Ausdruck von Kundenwünschen und Verbesserungsvorschlägen zu ermöglichen. Eine zu große Anzahl an Textfeldern hat allerdings negative Auswirkungen, da die Auswertungszeit steigt und die Bereitschaft zum Ausfüllen sinkt, wodurch auch die Effektivität der Befragung beeinflusst werden kann. Eine geringe Kundenzufriedenheit hat Auswirkungen auf die Wiederkäuferrate sowie die Rezensionen. Des Weiteren sind die Kosten für die Neukundengewinnung rund fünfmal höher als die Kosten für die Kundenbindung.
  • Reklamationsquote (Anzahl der Reklamationen innerhalb eines Jahres / Gesamtanzahl der realisierten Aufträge (in%)): Eine hohe Reklamationsquote kann auf Qualitäts- oder Serviceprobleme hinweisen. Aus diesem Grund ist ein Reklamationsmanagement einzuführen, denn die Kosten für eine spätere Fehlerbeseitigung sind oftmals höher als die Kosten für eine vorausschauende Fehlervermeidung. Insbesondere der Umgang mit Reklamationen auf Seiten des Unternehmens wie bspw. Nachlieferung von Produkten, Überarbeitung von Dienstleistungen und Kommunikation mit dem Kunden sind dabei von großer Bedeutung. Durch die richtige Handhabung wird der zunächst negative Eindruck seitens des Kunden in ein positives Erlebnis umgewandelt und die Wahrscheinlichkeit eines Wiederkaufs steigt. Ebenfalls ist zu erfragen, wie der Kunde den Umgang mit der Reklamation bewertet, um dadurch weitere Prozessoptimierungen zu identifizieren. Um Richtwerte für Reklamationsquoten zu bestimmen, ist ein Branchenvergleich heranzuziehen, denn diese Kennzahl ist stark branchenabhängig. Beispielsweise liegt die Reklamationsquote im Onlinehandel zwischen 20 und 30 Prozent. Im Vergleich liegt diese deutlich über der Reklamationsquote im stationären Handel, welche rund neun Prozent beträgt.[3]
  • Wiederkäuferrate (Anzahl der Wiederholungskäufer eines Produkts / einer Dienstleistung in diesem Jahr / Anzahl der Erstkäufer eines Produkts / einer Dienstleistung im Vorjahr (in %)): Die Wiederkäuferrate beschreibt den Anteil an Käufern, welche in aufeinander folgenden Perioden wiederholt ein Produkt oder eine Dienstleistung erworben haben. Diese bezieht sich nur auf die Erstkäufer der vorangegangenen Periode und nicht auf den gesamten Kundenbestand, somit werden langjährige Bestandskunden nicht in die Berechnung aufgenommen. Diese Kennzahl dient der Messung der Kundentreue sowie der Kundenzufriedenheit. Folglich lässt eine geringe Wiederkäuferrate darauf schließen, dass das Produkt/ die Dienstleistung oder der Service verbesserungsfähig ist. Die Erhebung der Kennzahl ist insbesondere für Produkte und Dienstleistungen sinnvoll, dessen Bedarf wiederholt auftritt. Zur Verbesserung könnte der Aufbau persönlicher Bindungen zum Kunden, ein weitreichender After-Sales-Service sowie der Abschluss langfristiger Lieferverträge beitragen. Da die Wiederkäuferrate abhängig vom Produkt beziehungsweise der Dienstleistung ist, sind Richtwerte individuell festzulegen und im Zeitverlauf zu analysieren.
  • Preisnachlassquote (Summe aller Preisnachlässe (Skonti, Rabatte, Boni) / Gesamtumsatzerlöse, (in %)): Die Preisnachlassquote beschreibt den Wertanteil der Preisnachlässe im Verhältnis zu den Gesamtumsatzerlösen. Preisnachlässe können zur Kundenbindung genutzt werden. Allerdings kann es zum Preisverfall kommen, wenn die Kunden immer wieder auf einen Preisnachlass drängen. Eine hohe Quote kann auf ein fehlendes Alleinstellungsmerkmal oder einen starken Verdrängungswettbewerb hindeuten. Hierzu eignen sich eine stärkere Ausrichtung auf die Qualität oder eine Fokussierung auf Marktsegmente mit größerem Wachstum oder geringerem Wettbewerb. Um Richtwerte festzulegen ist die Entwicklung der Kennzahl im Zeitablauf zu betrachten.

 

Die Spätindikatoren für den Bereich Marketing und Vertrieb:

  • Marketingaufwand in Prozent des Umsatzes (Marketingaufwand multipliziert mit 100 dividiert durch den Umsatz): Diese Kennzahl gibt an, welchen Anteil die Marketingkosten am Gesamtumsatz des Unternehmens haben. Ist dieser Wert besonders niedrig, kann dies auf ein zu geringes Marketingbudget hinweisen. Ist der Wert hingegen auffallend hoch, muss gegebenenfalls eine Erfolgsprüfung der Maßnahmen durchgeführt werden, damit beurteilt werden kann, ob der Aufwand gerechtfertigt ist.
  • Neukundenquote (Anzahl neuer Kunden / Anzahl Gesamtkunden (in %)): Diese Kennzahl gibt an, wie erfolgreich sich das Neukundengeschäft entwickelt. Kunden, mit denen im Laufe des Geschäftsjahres erstmalig eine Geschäftsbeziehung aufgebaut wurde, sind als Neukunden zu klassifizieren. Bei einem Rückgang der Neukundenquote sind verschiedene Ursachen in Betracht zu ziehen. Dies können bspw. sein: Wettbewerbsfähigkeit von Produkten und Dienstleistungen, Leistungsfähigkeit des Vertriebs oder Reputation des Unternehmens. Zur Bestimmung von Zielwerten ist das Branchenwachstum zu berücksichtigen. Während in stark wachsenden Branchen, wie beispielsweise der Finanztechnologie, Neukundenquoten von 20 Prozent keine Seltenheit sind, erreichen Unternehmen in schwach wachsenden Branchen sowie im B2B-Bereich tätige Unternehmen deutlich geringere Neukundenquoten.
  • Kundenfluktuationsquote (Anzahl Kundenabgänge / Anzahl Gesamtkunden (in %)): Die Kundenfluktuationsquote stellt die Anzahl der abgewanderten Kunden zu der Anzahl der gesamten Kunden ins Verhältnis. Die Klärung von Ursachen der Kundenfluktuation ist besonders bei langfristigen Geschäftsbeziehungen relevant. Die Erkennung eines Kundenabganges ist nicht immer einfach, da ein sinnvolles Zeitintervall für das Ausbleiben von Käufen festgelegt werden muss. Die Dauer des Intervalls ist individuell und von jedem Unternehmen festzulegen und zu prüfen. Wenn es öfter vorkommt, dass ein Kunde als bereits abgegangen registriert wurde, jedoch aufgrund eines Kaufs nach Ablauf des Intervalls wieder als Neukunden bzw. wiederkehrender Kunde aufgenommen wird, wurde das Intervall zu kurz bemessen und ist auszuweiten.
  • Auftragsreichweite in Tagen (Auftragsbestand in EUR / Umsatz der letzten 12Monate * 360): Die Auftragsreichweite gibt an, wie viele Tage durch den aktuellen Auftragsbestand gedeckt sind. Wenn die Auftragsreichweite je Prozess berechnet wird, so sind Engpässe frühzeitig erkennbar und bei Bedarf wird dem entgegengesteuert. Die Kennzahl ist insbesondere für die Liquiditätsplanung nützlich, um Prognosen über den zukünftigen Umsatz und damit verbunden Einnahmen abzuleiten. Dies setzt voraus, dass der Auftragsbestand in Umsatzerlöse überführt werden kann, da mögliche Forderungsausfälle bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden.
  • Auftragseingangsquote ( (akquirierte Aufträge / Gesamtzahl der Aufträge) *100): Die Auftragseingangsquote unterstützt bei der Beurteilung der Außendienstaktivitäten und den damit verbundenen Kosten.
  • Marktanteil (Umsatz / Branchenumsatz (in %)): Der Marktanteil weist den Anteil in Prozent aus, den das Unternehmen am gesamten Markt hat. Ein Unternehmen mit hohem Marktanteil verkauft höhere Stückzahlen und erzielt dadurch geringere Kosten bzw. höhere Gewinne. Durch die Betrachtung des Marktanteils werden wichtige Informationen über die Wettbewerbsposition erhoben. Es ist von großer Bedeutung, dass der Markt in geeigneter Weise definiert und auf das Kernabsatzgebiet begrenzt ist. Beispielsweise ist für ein regionales Küchenstudio unerheblich, wie sich der Umsatz aller verkauften Küchen in einem Bundesland gestaltet. Insbesondere für stark segmentierte Märkte ist es sinnvoll, den relativen Marktanteil, welcher den Abstand zum größten Wettbewerber angibt, zu bestimmen. Dazu wird der eigene absolute Marktanteil durch den absoluten Marktanteil des größten Konkurrenten dividiert. Es ist darauf zu achten, dass eine Maximierung des Marktanteils nur dann sinnvoll ist, wenn dies die Erreichung der strategischen Ziele unterstützt.
  • Umsatz (Summe der verkauften Leistungen multipliziert mit dem jeweiligen Preis): Der wertmäßige Umsatz beschreibt die Summe, der in einer Periode verkauften und mit ihrem Verkaufspreis bewerteten Leistungen (fakturierte Leistungen). Der Wert dieser Kennzahl wird durch zwei Variablen beeinflusst: Preis und Menge. Steigt der Umsatz ist dies folglich auf gestiegene Absatzzahlen oder einen höheren Preis pro Einheit zurückzuführen. Bei einem höheren Verkaufspreis sollte die Preiselastizität der Nachfrage beobachtet werden, um Einbrüche in den Absatzzahlen zu vermeiden. Vergrößert sich die Anzahl der verkauften Produkte, sollte auf die Kapazitäten der Produktion sowie auf die Grenzkosten je verkauftem Produkt geachtet werden. Sinkt der Umsatz wird dies ebenfalls durch die Variablen Preis und Menge bedingt. Bei Umsatzeinbußen sollten die Ursachen genaustens analysiert werden. Ein Herabsetzen des Verkaufspreises kann beispielsweise durch aggressive Preisstrategien der Wettbewerber notwendig werden. Das Preisniveau der Produkte im Markt sinkt, daher werden die niedrigeren Verkaufspreise nicht durch höhere Absatzzahlen kompensiert.
    Würde das Unternehmen in diesem vereinfachten Beispiel seinen Verkaufspreis nicht an die Preise der Mitbewerber anpassen, würden die Absatzzahlen sinken und somit auch der Umsatz. Zusätzlich ist es wichtig auch die Folgeeffekte, der Veränderungen einzubeziehen. Bei niedrigeren Absatzzahlen wird folglich die Kapazität des Unternehmens nicht maximal genutzt, wodurch die Produktionskosten je Stück steigen.
  • Umsatzentwicklung ( [(Umsatz der aktuellen Periode * 100) / Umsatz der vorherigen Periode] – 100): Die Entwicklung der Umsätze im Zeitverlauf ermöglicht die Beurteilung des Wachstums oder der Stagnation eines Unternehmens. Bei dieser Kennzahl handelt es sich um einen Spätindikator, sodass die einzelne Betrachtung hinsichtlich einer Unternehmenskrise nicht ausreichend und oftmals zu spät ist. Erste Anzeichen einer Unternehmenskrise sind durch Frühindikatoren wahrzunehmen. Aufgrund einer operativen Planung sind Abweichungen im Preis- und Mengengefüge sowie innerhalb der Umsatzarten zu analysieren.
  • Durchschnittsumsatz (Umsatz dividiert durch Leistungserbringer): Je nach Branche bieten sich unterschiedliche Bezugsgrößen für die Position „Leistungserbringer“ an. Es kann beispielsweise der durchschnittliche Umsatz je Mitarbeiter berechnet werden, aber auch je m² Verkaufsfläche, je Filiale oder je Kundensegment. Der Durchschnittsumsatz ist besonders relevant für externe Empfänger wie z.B. Banken, kann aber auch zur brancheninternen Benchmark dienen, um die eigene Effizienz in Relation zur Konkurrenz zu bewerten. Von Interesse ist ebenfalls die Entwicklung im Zeitablauf und im internen Vergleich.

 

 

[1] https://www.brightlocal.com/research/local-consumer-review-survey/#Q5

[2] https://www.business-schreibkurse.de/kurse/werbebriefe/einfuehrung/ruecklauf-quoten/

[3] https://www.invespcro.com/blog/ecommerce-product-return-rate-statistics/